Employee Management wird bei Kaleido großgeschrieben

Im STEIL-Interview spricht Alexander Brix, COO von Kaleido, über Unternehmensentwicklungen nach dem Millionen-Exit, die österreichische Start-up-Szene und welche Skills BWLer*innen heute am Arbeitsmarkt mitbringen sollten.

STEIL: Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Firma Kaleido geben?
Brix: Kaleido ist ein Start-up für Software-Services, das sich darauf spezialisiert, künstliche Intelligenz für Fotound Videobearbeitung zu entwickeln. Ursprünglich haben wir damit begonnen, eine KI zu entwickeln, die automatisch den Hintergrund von Fotos entfernen kann. Heute arbeiten wir mit Kund*innen wie Vestiaire Collective, Amazon, Ebay sowie vielen News Outlets und Media Companies zusammen.

2021 wurde Kaleido Teil von Canva. Wie fühlt man sich bei einem Millionen-Exit?
Es ist ein krasses Erlebnis. Man muss es viele Monate sehr geheim halten und man glaubt eigentlich bis zum letzten Moment, dass das alles noch einmal gegen die Wand fahren kann. Aber wenn dann alles unterschrieben ist und man damit an die Medien geht, dann ist man schon sehr stolz.

Wie läuft es jetzt ein Jahr danach? Wie geht es weiter?
Es ist eine Achterbahn der Gefühle. Am Anfang musste das ganze Unternehmen erst einmal wieder „back to normal“. Nach ein paar Monaten haben wir mit der Post-Merger-Integration begonnen und nach circa sechs Monaten angefangen zu überlegen, was die konkreten gemeinsamen Projekte sind. Mittlerweile haben wir Teams, die fast ausschließlich für Canva und an komplett neuen Technologien arbeiten.

Was bedeutet das aus Sicht der Mitarbeiter*innen? Haben sich die Organisationsstrukturen und die Teamzusammenstellung im Hinblick auf „Agility“ verändert?
Wir haben die Anzahl unserer Mitarbeiter* innen verdreifacht. Darüber hinaus haben wir das eine oder andere Scrum-Team, das mit Teams aus Australien und San Francisco zusammenarbeitet. Aufgrund der Zeitunterschiede geht die Agilität jedoch insofern verloren, weil nicht alle gleichzeitig in einem digitalen Raum arbeiten können, sondern vieles „async“ passiert.

Die ersten Kund*innen waren hauptsächlich Privatkund*innen. Wie hat sich das jetzt geändert?
Remove.bg ist ein Fremium-Produkt, das heißt, die Mehrheit der Nutzer*innen sind private Leute, die keinen
Cent dafür bezahlen. Davon haben wir über 25 Millionen im Monat. Dann gibt es einen kleinen Prozentanteil, der bereit ist, dafür Geld zu bezahlen, weil gewisse Zusatzfeatures gebraucht werden. Bei diesen bezahlten Abos ist es so, dass die Hälfte des Umsatzes von „prosumers“ kommt, also Konsument* innen, die im Professional-Bereich sind (z. B. Fotograf*innen). Die
andere Hälfte des Umsatzes kommt von großen Unternehmen (z. B. Medienhäusern).

Dieses Fremium-Modell grenzt also Kaleido von der Konkurrenz ab?
Ja. Als Remove.bg gelauncht hat, gab es kein Vergleichsprodukt. Mittlerweile gibt es viele, die uns kopiert haben. Die Website sieht genau gleich aus, das Business-Modell ist gleich, das Einzige, das anders ist, sind die Qualität und der Preis. Beides geringer als bei uns.

Wie geht man damit um, wenn Firmen kommen und das Geschäftsmodell einfach kopieren?
Man muss unterscheiden zwischen blind kopieren, also Copyright-Infringement, und einfach nur nachmachen. Wenn es um Copyright-Infringement geht, muss man natürlich gewisse rechtliche Schritte einleiten. Wir haben da aber nicht zu viel Zeit hineingesteckt. Am Ende des Tages ist es ein Hochtechnologiebereich, wo wir alle drei Monate komplett neue Sachen
entwickeln. Wenn du die Firma bist, die nur kopiert, bist du immer hinten dran. Wenn du die Firma bist, die innoviert, dann läufst du vorneweg.

Inwieweit arbeitet Kaleido mit Lead-Usern zusammen?
Sehr viel. Das war zu Beginn auch ein Erfolgsfaktor von remove.bg. Dadurch konnten wir lernen, wie die Unternehmen das Produkt nutzen und wo noch Probleme auftreten. Als kleines KI-Unternehmen brauchst du vor allem Daten, mit denen du die KI trainieren kannst. Ein Unternehmen wollte einen Schwamm auf einem Tisch freistellen. Also baten wird das Unternehmen um 10.000 Bilder von Schwämmen, um unsere KI gezielt zu trainieren.

Sie haben selbst an der WU studiert, was waren Ihre Highlights?
Ich muss zugeben, ich war kein guter Student. Wenn etwas mit Multiple Choice zu tun hatte, war ich froh, einen
Dreier oder Vierer zu bekommen. Die Projekte und Kurse, in denen ich wirklich gut war, waren die, in denen es um Problem Solving, Teamarbeit oder Präsentieren ging. Vor allem bei den Spezialisierungen Entrepreneurship & Innovation und International Business war das natürlich das, was man die ganze Zeit gemacht hat. Da bin ich ziemlich aufgegangen.

In der Spezialisierung E&I wird der Business-Plan oft als heiliges Gut postuliert. Wurde bei Kaleido jemals ein Business-Plan geschrieben, Investor*innen waren ja nie notwendig?
Das war ein Jahr, bevor ich gekommen bin, aber soweit ich weiß, gab es keinen Business-Plan. Es wäre auch schwierig gewesen abzuschätzen, wie groß der Markt ist. Ich glaube, ein Business-Plan ist sinnvoll, wenn man sich selbst noch nicht ganz sicher ist,
was man eigentlich machen will und wie es funktioniert und man dadurch gezwungen wird, in einem gewissen Framework sich alle Bereiche des Business-Modells durchzudenken.

Wie haben Sie erkannt, dass Kaleido ein Start-up ist, dass wirklich Potenzial hat? Wie sind Sie angeworben worden?
Bevor ich zu Kaleido gekommen bin, war ich selbst Gründer des Software-Start-ups Accordium. Aber nach dreieinhalb
Jahren, als die Idee – wie bei einigen Start-ups – nicht aufgegangen ist, habe ich mich auf die Suche gemacht. Eine Option war, in ein Startup zu gehen, in dem das Produkt schon steht und es nur noch darum geht, das ganze hochzuskalieren und ein gesundes
Unternehmen aufzubauen. Am Ende gab es verschiedene Optionen, aber Kaleido war die, die perfekt gepasst hat.

In welchen Branchen sehen Sie momentan das größte Wachstumspotenzial?
Ganz klar in den Bereichen Artificial Intelligence und Sustainability. Obwohl AI zwar bereits weitgehend ein Buzzword ist, stehen wir hier immer noch am Anfang des Möglichen. Zahlreiche Prozesse laufen nach wie vor manuell und werden langfristig automatisiert werden. Eine Bewerbung bei Start-ups in diesen beiden Bereichen ist daher sicher zukunftsorientiert.

Wie würden Sie im Speziellen die österreichische Start-up-Szene bewerten? Welche Änderungen würden Sie sich wünschen?
Es ist eine kleine, aber feine Szene. Im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Standorten wie Berlin herrscht bei uns viel weniger Ellenbogenmentalität. Unternehmen unterstützen sich hingegen. Foren ermöglichen zudem vor allem auf Gründerlevel oder C-Level den regelmäßigen Austausch. Von politischer Seite würde ich mir wünschen, dass das Gründen allgemein und die
Mitarbeiter*innen-Incentivierung in Zukunft leichter wird. Bei der Incentivierung arbeiten wir nach wie vor mit Phantom oder Virtual Shares.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren, wenn man ein junges Unternehmen wachsen lassen/hochskalieren möchte?
Im Endeffekt ist das Wichtigste, dass man sich als Unternehmen vor allem darauf konzentriert, was die Endnutzer* innen brauchen. Wenn man Wert schafft, kommt das Geld, und wenn das Geld kommt, dann kann man sich mehr Mitarbeiter*innen und ein tolles Office leisten. Ich glaube, viele First-Time-Founders machen den Fehler, zu viel Zeit mit Events, Networking, Pitch-Contests und Interviews zu verbringen. Wenn Schritt eins, nämlich ein sauberes, funktionierendes Produkt, nicht steht, dann kann man alles andere auch vergessen.

Wie kann man in einem so rapid wachsenden Unternehmen wie Kaleido AI auch den operativen Teil mitskalieren?
Bei uns wird Employee Empowerment großgeschrieben. Jede*r Mitarbeitende soll gehired werden, weil sie oder er der
beste Fit für die Position ist und sich selbst überlegen soll, wie der Status quo verbessert werden kann. Ich glaube, viele und vor allem schnell wachsende Unternehmen machen den Fehler, dass alles noch bei den Gründer*innen oder irgendwelchen Senior-Leuten zusammenläuft. Dadurch, dass diese dann meist stark durch viele Kleinigkeiten überlastet sind, verlieren sie den Überblick über das große Ganze.

Sie haben selbst einen BWL-Hintergrund. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach technische Hard Skills heute am Arbeitsmarkt? Worauf achten Sie im Recruiting?
BWLer*innen sind oft die Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Kund*innen und somit für die Übersetzung der einzelnen Sprachen verantwortlich. Es ist daher wichtig, Produktdesignprozesse und die Zusammenhänge technischer Architekturen zu verstehen. Also beispielsweise, wie Scrum funktioniert, was Agile Development bedeutet, was eine API-Schnittstelle ist oder allgemein, wie Unternehmen mit Software arbeiten und ein Rollout eines neuen Tools abläuft. Vor allem in der Sales- und Marketing-Rekrutierung stellen wir gerne Fragen zu Basisthemen wie API und Scrum, um festzustellen, ob die Bewerber*innen ein grobes Verständnis für Software und Technologie haben.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, welche Ratschläge möchten Sie WU-Studierenden auf den Weg mitgeben?
Problem-Solving-Skills zu lernen und komplexe Dinge schnell auf die wichtigsten Punkte herunterzubrechen. Außeruniversitäre Engagements bei Austrian Startups, icons oder uniforce können hier sehr behilflich sein. Neben Problem Solving-Skills können wichtige Erfahrungen in der Mitarbeiterkommunikation oder der Zusammenarbeit mit Stakeholdern gesammelt werden. All das sind Themen, die man an der Uni selbst sehr schwer lernt, weil die Projekte einfach zu kurz sind und so keine Vertiefung möglich ist.

 

 

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STEIL Magazin
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