Investitionen für die Zukunft

Felix Fein ist Associate bei Speedinvest, einem der erfolgreichsten Venture Capital Fonds in Europa. Im STEIL-Interview erzählt er uns, wie sich die Start-up-Szene in Österreich in den letzten Jahren entwickelt hat und wie die Zukunft im Bereich Digital Health Care in Europa aussehen soll.

STEIL: Speedinvest ist ein Venture Capital Fonds. Kannst du uns kurz erklären, wie man sich dieses Geschäft im Allgemeinen vorstellen kann und wie es funktioniert?
Fein: Im Grunde funktioniert das Modell so, dass wir Geld von verschiedenen Investoren einsammeln und dann in vielversprechende Start-ups investieren, wofür wir im Gegenzug Unternehmensanteile erhalten. Wir versuchen dieses Start-up dann zum Erfolg und einem Exit-Event – also einer Akquisition oder einem Börsengang – zu verhelfen. Wir veräußern anschließend dabei unsere Anteile und verzeichnen dadurch Kapitalgewinne zurück an die Investoren und außerdem zu Speedinvest gehen.

Was hat dein Interesse am Startup- und Venture-Capital-Bereich geweckt bzw. wieso hast du dich für Speedinvest entschieden?
Fein: Tatsächlich wurde mein Interesse während des Bachelorstudiums im Rahmen der Spezialisierung „Entrepreneurship & Innovation“ geweckt. Bei i5invest habe ich dann ein Praktikum im M&A-Bereich mit Fokus auf Start-ups gemacht, wodurch ich endgültig auf den Geschmack gekommen bin. Venture Capital war für mich damals von außen noch so eine kryptische Welt, daher wollte ich mehr darüber erfahren und bin bei Project A Ventures in Berlin für ein Praktikum gelandet. Dort war ich vor allem auf der operativen Support-Seite für Firmen zuständig. Daraufhin wollte ich noch die Investment-Seite kennenlernen, was mich 2017 zu Speedinvest gebracht hat. Speedinvest als eine der wenigen, aber damals sowie heute renommiertesten Adressen in Österreich war da sehr naheliegend.

Was sind Hauptkriterien, die ihr beachtet, wenn es um die Entscheidung geht, in welche Start-ups ihr investieren wollt?
Fein: Das Team ist das Allerwichtigste, vor allem in so einer frühen Phase, in der wir investieren. Das zweite ist die Market Opportunity. Dabei geht es um die Größe des Marktes, in welcher Phase er sich befindet, wie er wächst, was die Konkurrenz macht und wie man sich dort gut positionieren kann. Und dann kommt noch Defensibility dazu: Wie kann ich meinen USP und Wettbewerbsvorteil langfristig halten?

Was ist das Spannendste am Gründungsprozess eines Start-ups?
Fein: Die Begeisterung, die Vision und der enorme Drive, etwas zu verändern und etwas Großes aufbauen zu wollen. In der Anfangsphase wird viel ausprobiert, getestet und durch Feedback von Kund:innen gelernt. Diesen Prozess als Coach von der Seitenlinie aus zu beobachten und zu sehen, wie sich das Team entwickelt, sich den Herausforderungen stellt und zu erfolgreichen Lösungen kommt, ist das Spannendste an dieser frühen Phase.

Wenn wir die Start-up-Szene in Österreich anschauen: Was hat sich in den letzten Jahren verändert und wohin wird sie sich deiner Meinung nach entwickeln?
Fein: Die Start-up-Szene hat sich stark zum Positiven verändert. Vor ca. 10 Jahren wurden die klassische Beratung oder Investment Banking als coolste Karrierewege angesehen, was natürlich sehr spannende Bereiche sind. Die Start-up-Szene war damals noch nicht so sehr in den Köpfen junger Menschen. Sie kommt aber langsam im „Mainstream“ an und das ermöglicht
viel mehr spannende Karriere- und Investmentmöglichkeiten. Dabei spielt auch das Ökosystem, das hier entsteht, eine große Rolle. Junge Leute, die bei Bitpanda, GoStudent & anderen Scale-ups starten und dort viel lernen, wollen dann irgendwann vielleicht selbst ihr eigenes Unternehmen aufbauen. Das ist ein Flywheel, das sich dreht und immer spannender wird, weil immer mehr zurück ins Ökosystem fließt. Auch in den Medien und der Politik kommt das Thema immer mehr an. Und wenn gute Rahmenbedingungen herrschen, werden diese auch genutzt und es geht etwas weiter.

Wenn man die Venture-Capital-Branche im internationalen Vergleich anschaut: Wo steht Österreich, wo Europa?
Fein: Im europäischen Vergleich muss sich Österreich wirklich nicht verstecken und hat auch schon einige erfolgreiche Unternehmen hervorgebracht. Mit Start-up Hubs wie Berlin, London oder Paris kann Wien jedoch noch nicht mithalten. Vor allem dürfen wir hier noch viel größer denken. In Europa hat sich in den letzten Jahren auch einiges getan, sehr viele führende US-Investoren legen einen stärkeren Fokus auf Europa. Zum einen, da die Bewertungen noch geringer sind als in den USA, aber vor allem, weil auch sehr erfolgreiche Category Leaders mit großem Potenzial in Europa hervorgebracht werden.

Hast du da den Eindruck, dass Europa etwas hinterher ist im Vergleich zu Amerika oder Asien?
Fein: Was Europa etwas verschlafen hat, ist der rechtzeitige Einstieg in den Bereich der Hochtechnologie und den Software-Bereich. Das kann aber zum Teil noch aufgeholt werden. Da muss man sich nur die Absolvent:innen im STEM-Bereich anschauen, wo die Qualität der Universitäten und Ausbildungen als auch die Start-ups, die daraus hervorgehen, für sich sprechen. Einen Nachteil in dem Sinne sehe ich an der teils noch sehr starken nationalen Denkweise im Binnenmarkt Europa, da wird der Markt in den USA oder Asien viel besser bedient und die Möglichkeiten besser genutzt.

Eines deiner Spezialgebiete bei Speedinvest sind Digital Health Care Investments. Was macht diesen Bereich so spannend für dich?
Fein: Etwas von Grund aufzubauen, ist in diesem Bereich eine riesige Herausforderung, denn der Markt ist zum Teil stark reguliert. Genau das macht es aber auch so spannend. Es ist ein großer Markt, der bzgl. Digitalisierung und der Nutzung von Technologien aber noch weit hinter anderen Bereichen liegt. Was diesen Bereich für mich so spannend macht, ist auch der positive gesellschaftliche Impact dahinter, denn am Ende des Tages tragen diese Investments dazu bei, dass es anderen Menschen, Patient:innen und deren Angehörigen besser geht.

Bleiben wir beim Digital Health Care Market. Was ist deine persönliche Vision für Europa?
Fein: Aus meiner Sicht muss Health Care in Europa verstärkt digital und mehr datengetrieben werden. Außerdem sollte es viel mehr Convenience sowohl für Patient:innen als auch für das Gesundheitspersonal geben. Ich glaube auch, dass der europäische Gesundheitsmarkt in gewisser Weise „homogenisiert“ werden sollte. Der Gesundheitsmarkt ist sehr national strukturiert und ich glaube, es wäre gut, hier über innereuropäische Grenzen hinweg einen gemeinsamen großen Markt zu schaffen. Dort wäre es wesentlich attraktiver für Gründer:innen, innovative Lösungen umzusetzen.

Was macht die Herangehensweise von Speedinvest anders und was können sich andere davon abschauen?
Fein: Was uns ausmacht, ist, dass wir unsere Unternehmen sehr operativ und hands-on unterstützen und wir mit ihnen auf Augenhöhe arbeiten. Dabei wird mithilfe unserer Ressourcen individuell auf Bedürfnisse eingegangen. Unser Platform-Team steht dabei von Recruiting bis hin zu Marketing zur Seite und unser Netzwerk an Folgeinvestoren
eröffnet zusätzliche Möglichkeiten. Bei unseren Investments sind wir aus Überzeugung von Beginn an sehr stark in der Entwicklung involviert. Das Zwischenmenschliche und der persönliche Fit sind letztendlich auch ein großer Erfolgsfaktor für uns.

Du arbeitest schon einige Jahre bei Speedinvest: Mit welchen Herausforderungen warst du in den letzten Jahren konfrontiert?
Fein: Um den Elefanten im Raum anzusprechen: Corona war natürlich eine Herausforderung. Für uns war es zwar leichter als für andere Branchen, weil wir auch vor Corona viel per Videocall und Co. erledigt haben. Was aber dann gefehlt hat, war der persönliche Kontakt mit den Gründer:innen. Diesen ersten Prozess völlig remote zu machen, war am Anfang sicher eine Herausforderung, jedoch funktioniert das mittlerweile sehr gut.

Was waren für dich die größten Lernerfahrungen der letzten Jahre?
Fein: Im VC-Bereich geht sehr viel über Zwischenmenschliches und Netzwerke. Man hat mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun und ein gutes Miteinander und Verständnis sind wichtig, aber auch offen zu bleiben und immer dazuzulernen ist essenziell. Da konnte ich mir in den letzten Jahren sehr viel mitnehmen. Und natürlich kann man fachlich in viele Bereiche einer Branche eintauchen und ist dabei immer am Puls der Zeit.

Was sind die nächsten Ziele von Speedinvest? Worauf liegt der Fokus in der nächsten Zeit, welche Branchen sind am interessantesten?
Fein: Unsere Vision ist es, European Seed Investments „at scale“ zu machen und dabei der Trusted Partner für Early Stage Start-ups zu sein. Wir sind bereits einer der führenden Seed-Investoren in Europa und wollen diese Position noch weiter stärken. Insbesondere in den Bereichen Climate Tech und Nachhaltigkeit, Web3 und Krypto erwarten wir nochmals einen Wachstumsschub.

Du hast ja selbst auch auf der WU studiert – wenn du an deine Studienzeit zurückdenkst, wovon konntest du dir am meisten mitnehmen?
Fein: Am meisten habe ich mir wahrscheinlich von den Kontakten aus der Zeit und den Spezialisierungen Entrepreneurship & Innovation sowie Unternehmensführung und Controlling mitgenommen. Dort habe ich viel von den Gruppenarbeiten und Case Studies profitiert, in denen wir komplexe Dinge unter Zeitdruck verstehen, herunterbrechen und anwenden mussten – das ist auch heute noch hilfreich.

Welche Tipps würdest du den Studierenden der WU für eine erfolgreiche Karriere mitgeben?
Fein: Auf jeden Fall „stay open-minded“ und ich rate dazu, die Chancen, die sich ergeben, auch zu ergreifen.
Vieles baut aufeinander auf und erst im Nachhinein sieht man, wie eines zum anderen geführt hat. Generell würde ich raten, über den Tellerrand zu blicken, von anderen zu lernen, Kontakte zu knüpfen und viel auszuprobieren!

Autorin
STEIL Magazin
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