STEIL: Mit Ihrem Unternehmen „Damensache“ machen Sie Frauen auf die wichtige Thematik der finanzi-ellen Unabhängigkeit aufmerksam. Was waren Ihre Beweggründe für dieses Vorhaben?
Marietta Babos: Das hat einen persön-lichen Hintergrund. Nachdem mein Vater verstorben ist, geriet meine Mutter in eine finanzielle Notsituation – ein Pensionsschock. Erschreckend ist, dass sie trotz Kinder einer Vollzeittätigkeit nachging und sich somit in finanzieller Sicherheit wähnte. Als ich mich weiter mit dieser systematischen Ungerechtigkeit beschäftigt habe, wollte ich es auch nach außen tragen. Zuerst machte ich als Dozentin an der Universität Studentinnen darauf aufmerksam und später führte ich gemeinsam mit dem Institut für Entrepreneurship und Innovation an der WU eine Studie durch, wie man Frauen auf das Thema aufmerksam machen und ihnen bei der Umsetzung dieses Wissens helfen kann.
Sie beraten Frauen jeglichen Wissensstandes im Finanzbereich. Wie vermitteln Sie Ihren Kundinnen The-matiken, die ihnen davor niemand erklären konnte?
Babos: Am Anfang ist beim Thema Investieren bei vielen noch ein bisschen Angst da. Bei unserem Check-up nach einem Jahr sind die meisten aber dann stolz auf sich und können schon erste Fortschritte erkennen. Uns ist am wichtigsten, das Know-how auf verständliche Weise zu vermitteln. Daher ist unser Logo auch ein gordischer Knoten, weil viele fühlen sich einfach erschlagen von so vielen verschiedenen Optionen von Banken, Versicherungen und Anlageformen und unsere Aufgabe besteht darin, dies auf eine sehr verständnisvolle Art zu übermitteln. Und am meisten liebe ich einfach den Mut und die Erfahrung, die mitwächst – das ist einfach ein schönes Gefühl.
Vereinbarung von Karriere und Kindern: dieser Herausforderung sehen sich viele berufstätige Mütter gege-genübergestellt. Wie haben Sie es geschafft, beides zu vereinen?
Babos: Es ist absolut nicht einfach und nur möglich, wenn alle mitspielen. Ich rate allen davon ab, sich jahrelang vom Arbeitsmarkt zu verabschieden oder nur Teilzeit zu arbeiten. Dann sind die Chancen, den früheren Job auf dem gleichen Niveau auszuüben sehr klein und die Folgen für die Pension fatal. Als ich Mutter wurde, war ich in der Top-Management-Beratung tätig und konnte vereinbaren, in einem Block von drei Tagen die Woche zu arbeiten. Eine weitere Möglichkeit ist es, mit der Familienplanung auf einen Job zu wechseln, der kompatibler mit der Familie ist – das habe ich dann gemacht, indem ich selbstständig wurde.
Gibt es Ihrer Meinung nach einen geschlechterspezifischen Unterschied im Umgang mit Geld?
Babos: Frauen sind behutsamer und konservativer in der Veranlagung als Männer. Das kommt durch eine langfristigere Denkweise. Es wurde statistisch bewiesen, dass Fonds, die nur von Frauen gemanagt wurden, besser durch die Krise gekommen sind. Vor allem Frauen sind Nachfragerinnen grüner und sozial gerechter Fonds. Meinen Kundinnen ist „nachhaltiges Investieren“ sehr wichtig und sie möchten auch die ESG-(Environment-Social-Governance)-Kriterien berücksichtigen.
Welche Tipps können Sie Studieren-den geben, die später ein finanziell unabhängiges Leben führen wollen?
Babos: Grundsätzlich gilt: Je früher begonnen wird zu investieren, desto besser. Eine erstrebenswerte Sparra-te für die Pensionsvorsorge liegt bei 10–15% des Nettoeinkommens. Vor allem für Studierende ist zu beachten, dass Beschäftigungen unter der Ge-ringfügigkeitsgrenze nicht als Pensi-onsjahre angerechnet werden – außer man bezahlt selbstständig 60 Euro im Monat in die Pensionsversiche-rung ein. Bei einem Verdienst über der Geringfügigkeitsgrenze fällt zwar die Familienbeihilfe weg, jedoch wird automatisch für die Pensionsvorsorge einbezahlt
Die Karriereleitern von Männern und Frauen können sich durch die Gründung einer Familie drastisch unterscheiden. Wie sollten Frauen entsprechend ihrer Erwerbsbiogra-fie und Lebenserwartung am besten sparen?
Babos: Vor allem am Anfang der Karriere hat man noch weniger Verpflichtungen und dadurch eine potenziell höhere Sparrate. Wenn dann die Familienplanung startet, kann man dann sogar wieder etwas reduzieren. Ein Gespräch mit dem/der PartnerIn sollte ausschließen, dass nicht die Mutter alleine das finanzielle Risiko des Kinderkriegens trägt. Hier ist das Konzept der Pensionssplittung besonders interessant: Teile der staatlichen Pensionsbeträge werden vom arbeitenden Elternteil an denjenigen/diejenigeübertragen, der/die zu Hause bleibt.Ein weiterer Stolperstein der weib-lichen Erwerbsbiografie ist die hohe Scheidungsrate, welche in Österreich im Schnitt bei 40 % liegt. Außerdem leben Frauen im Durchschnitt länger als Männer – also müssen sie sich die letzten Jahre ihres Lebens selbst finanzieren können, wenn sie keine Witwenpension beziehen. Die heutige durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei über 90 Jahren – das bedeutet, dass zukünftig im Schnitt etwa 30 Jahre in Pension verbracht werden.
Sie sind 2021 unter die Top 3 beim Unternehmerinnen-Award in der Kategorie Social Entrepreneurship gekürt worden – was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung persönlich?
Babos: Ich habe mich wahnsinnig gefreut und wir sind so stolz darauf. Denn es zeigt, dass das Thema gewonnen hat und auch die Jury das Thema ins Rampenlicht stellen wollte. Für uns hat es eine sehr hohe Bedeutung, dass es unter die Kate-gorie Social Entrepreneurship fällt, denn obwohl wir unternehmerisch unterwegs sind, ist uns der soziale Aspekt dahinter sehr wichtig. Wir nützen jetzt diese Auszeichnung, um das Thema noch mehr in den Fokus zu stellen und die Aufmerksamkeit auf unsere kostenlosen Webinare zu lenken, damit sich schon junge Frauen darüber informieren können.