Wenden wir uns der Kreislaufwirtschaft zu

Chocolatier Josef Zotter sprüht vor Ideen, Kreativität und Innovativität. Im STEIL-Interview spricht er über seine Anfänge, was ihn persönlich antreibt und was er sich in der Zukunft für die Wirtschaft wünscht.

Interview: Bianca Fellner und Magdalena Möslinger-Gehmayr

Sie sind heute der wohl bekannteste Chocolatier in Österreich. Woher stammt die Idee zu Ihrem Unternehmen?

Begonnen hat alles mit meiner Leidenschaft für das Kochen und das Konditorhandwerk, die ich in meiner Lehrzeit entdeckt habe. Während meiner Tätigkeit in der amerikanischen Gastronomie habe ich begonnen, mir vermehrt die Sinnfrage zu stellen, was ich denn wirklich will. Zurück in Österreich haben meine Frau und ich, beseelt von der Idee, etwas Eigenes zu machen, eine Konditorei eröffnet. Per Zufall ist mir Anfangs der 1990er die handgeschöpfte Schokolade eingefallen. Die Idee und der Wille, etwas Neues, das noch niemand gemacht hat, zu kreieren, sind schlussendlich hängengeblieben.

Hatten Sie anfangs einen Businessplan?

Mein Businessplan bestand zu Beginn nur aus geilen Rezepten und meiner Frau, die sich um die Finanzen gekümmert hat. Meiner Erfahrung nach sollte es zu Beginn keinen Businessplan geben – wofür braucht man den auch? Anfangs ist es noch unklar, was aus der Idee wird und in welche Richtung sich diese entwickelt. Der Businessplan ist in meinen Augen für später, wenn das Unternehmen schon funktioniert. Dann muss man klarerweise anfangen zu ordnen und zu strukturieren. Ganz wichtig: Zu Beginn klein anfangen, sich ausprobieren und vor allem hinter dem Produkt stehen, das man kreiert.

Was waren für Sie prägende Erfahrungen in der Unternehmensentwicklung?

Neben der Schaffung der handgeschöpften Schokolade ganz klar das Scheitern. Früher war meine Denkweise noch „Du darfst nicht scheitern“, aber jetzt im Nachhinein betrachtet war das essenziell, sonst gäbe es Zotter so, wie es ist, nicht. Wenn es ohne scheitern geht, auch gut, aber meistens gehört das halt dazu, da Unternehmer auch Risiken eingehen müssen. Die Pleite hat mir meine Grenzen aufgezeigt und klargemacht, was es heißt, in einer Krise zu sein – vor allem jetzt in der Coronakrise eine wertvolle Lektion.

Ihre Schokoladen-Manufaktur zählt zu den nachhaltigsten Unternehmen Österreichs, in der vor allem soziale Komponenten eine wesentliche Rolle einnehmen. Was treibt Sie dazu an?

Für mich bietet der faire Handel die Möglichkeit, direkt mit den Kakaobauern zusammenzuarbeiten, sie persönlich nach ihren Problemen zu befragen und zu unterstützen. Ich bewege sie dazu, ihren Job gerne auszuführen. Was wiederum dazu führt, dass ich ein gutes Produkt bekomme und herausragende Schokolade herstellen kann. Ich sage immer, schmeißen wir das Hamsterrad um und wenden wir uns der Kreislaufwirtschaft zu. Die Wirtschaft, die wir jetzt haben, unter dem Motto „Der Wildeste gewinnt“ wird nicht die nachhaltige Zukunft sein. Wir als Familienunternehmen denken naturgemäß anders als eine Aktiengesellschaft. Längerfristige Entwicklungen und Auswirkungen sind stärker im Fokus und vor allem auch der Gedanke, persönlich hinter dem, was wir machen, zu stehen. Das wären bei uns: die biologische Landwirtschaft, der faire Handel und die erneuerbaren Energien.

Sie haben 2020 das Buch „Eine neue Wirtschaft – Zurück zum Sinn“ veröffentlicht. Wie sieht solch eine neue Wirtschaft für Sie aus?

Die Europäische Kommission hat ja das Ziel, den „Green Deal“ und somit auch eine nachhaltigere Wirtschaft zu realisieren. Die Investitionen und alle Unterstützungen, die während der Krise in den Markt gepumpt werden, sollen ziel- und zukunftsorientiert investiert werden. Im Wesentlichen geht es darum, sich die Frage zu stellen, wie eine sinnvolle Wirtschaft aussieht, an der wir nicht ersticken. Wenn wir zum Beispiel sofort nach der Krise wieder durch die Welt fliegen, dann wird sich nicht viel verändern.

Welche Tipps können Sie Studierenden für den Karriereweg mitgeben?

Das eigene Talent entdecken. Sich für etwas begeistern. Das Schlimmste ist, wenn alles immer ein „Muss“ und „Durchhalten“ ist. Viele lassen sich leider auch rein monetär lenken, das ist der falsche Weg.

 

Josef Zotter (60) ist weltweit erfolgreicher Chocolatier aus der Steiermark und Erfinder der handgeschöpften Schokolade. 2015 wurde er zum innovativsten Schokoladenhersteller weltweit gekürt, ist Vorreiter in Bereichen wie Nachhaltigkeit und verpflichtet sich zu höchsten Standards im fairen Handel. Besuchen kann man ihn in Riegersburg in seiner Zotter Manufaktur inklusive „Schoko-Laden-Theater“ und „Essbarem Tiergarten“.

Autorin
STEIL Magazin
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