Frauen haben einen biologischen Vorteil beim Investieren.

Larissa Kravitz ist Expertin für das Thema Frauen und Investment. Im STEIL-Interview spricht sie über Sexismus in der Finanzwelt, den Aktienmarkt in Coronazeiten und Investment-Tipps für Studierende.

Text: Carina Hinterberger und Magdalena Möslinger-Gehmayr

Ihr Podcast Investorella vereint Finanzwissen und Feminismus. Welche Motivation steckt dahinter?

Die Hauptmotivation ist die finanzielle Autonomie von Frauen und ein Gegensteuern zu dem Thema Altersarmut. Das Unternehmen in dieser Form war nicht geplant. Nach meinem Investmentworkshop in einem Frauenverein war die Nachfrage jedoch so groß, dass sich das mehr oder weniger selbst entwickelt hat.

Dadurch, dass Ihre Eltern an Banken arbeiteten, haben Sie sich schon früh mit dem Finanzmarkt beschäftigt und mit 14 Jahren Ihre ersten Aktien gekauft. Sollte Ihrer Meinung nach das Bildungssystem Finanzwissen vermitteln?

Junge Menschen, die interessiert sind, informieren sich zurzeit im Internet außerhalb der Schule. Vom Bildungssystem würde ich mir vor allem Realitätsnähe wünschen. Während der Schulkarriere sollte man ein Basiswissen über das Pensionssystem, Steuern und Wertpapiere vermittelt bekommen.

 

Der Großteil der Wertpapierdepots gehört Männern, obwohl Frauen wissenschaftlich gesehen die besseren Investoren sind – wie erklären Sie sich das?

Zwar hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren verbessert, doch lässt der vorherrschende Sexismus in der Finanzbranche aktuell nur wenige Frauen aufsteigen. Der Trend zeigt jedoch, dass die Anzahl der weiblichen Investorinnen rasant steigt. In biologischer Hinsicht haben Frauen sogar einen Vorteil, denn Studien bestätigen die Korrelation von einem hohem Testosterongehalt und erhöhter Risikobereitschaft – eine Eigenschaft, die am Finanzmarkt nicht nur vorteilhaft ist.

 

Viele Frauen haben Angst vor der Altersarmut. Wie sehen Sie die Zukunft des Pensionssystems?

Österreich hat ein Drei-Säulen-Pensionssystem, um Altersarmut jedoch zu mindern, müssen vor allem die betriebliche und die private Vorsorge an Bedeutung gewinnen. Die staatlichen Pensionen alleine werden nicht reichen, um den durchschnittlichen Lebensstandard der meisten Menschen in Österreich zu erhalten. Das Problem ist ein politisches. Eine Veränderung des Pensionssystems ist zwar unbeliebt, jedoch notwendig.

 

Dass der beste Zeitpunkt, um ein Investment zu starten bereits gestern war, ist allseits bekannt. Was würden Sie jedoch Studierenden empfehlen, die von Studienbeihilfe zu Studienbeihilfe leben?

Low-Cost-Brokers sind vor allem für Anfänger gut geeignet, da sie günstig sind und teilweise Sparpläne ab 30 € anbieten. Falls das noch zu viel ist, würde ich jeden Monat einen kleinen Geldbetrag zur Seite legen, auch wenn es nur fünf Euro sind – das hat man bereits, wenn man sich einmal gegen die Pizza vom Lieferdienst entscheidet. Es geht darum, eine Angewohnheit zu schaffen, denn wenn man mit wenig Geld sparen lernt, ist es einfacher, diese Angewohnheit auch später beizubehalten.

 

Neben Ihrem Podcast bieten Sie auch Workshops an – was ist die wichtigste Lektion, die Sie Ihren Teilnehmerinnen vermitteln?

Anfangen. Das Wichtigste beim Investieren ist es, sich zu trauen. Es bringt nichts, sich nur theoretisches Wissen anzueignen, wenn man es dann nicht auch umsetzt. Um wieder zurück zum Geschlechterunterschied beim Investieren zu kommen: Der biologische Vorteil der Frauen, weniger risikobereit zu sein, wird schnell zu einem Nachteil, wenn dadurch gar nicht investiert wird. Man muss nicht mit einem großen Betrag anfangen, kann diesen aber steigern – oder auch wieder weniger investieren, je nachdem, wie es sich am besten anfühlt.

 

“Girls just wanna have (ethical) funds”: Was genau sind ethische Anlagen?

Das ist eine Entscheidung, die jeder für sich persönlich treffen muss. Ein Portfolio ist nicht nur eine Geldanlage, sondern zeigt auch, worauf man Wert legt, und gibt einem die Möglichkeit, diese Bereiche zu unterstützen. Bei mir stehen die SDGs im Vordergrund – also nicht nur grüne, sondern auch die menschliche, globale Entwicklung, denn wenn sich ein Land entwickelt, wird das Thema Umwelt auch immer wichtiger. Natürlich gibt es auch klimaneutrale Optionen, bei denen man jedoch aufpassen muss, da viel Greenwashing betrieben wird.

 

Wie könnte man bereits während des Studiums ein Portfolio aufbauen? Welche Strategie empfehlen Sie Studierenden?

Ich würde am Anfang in die thesaurierenden Produkte gehen. Ausschüttende empfehle ich tendenziell älteren Menschen oder bei einem bestimmten Grund, beispielsweise der FIRE-Bewegung. Wenn man den Kapitalmarkt mal kennenlernen möchte, sind breite ETFs wie MSCI World oder Europe und ACWI gut.

 

Welche Anlageformen können Sie Studierenden neben Wertpapieren empfehlen?

REITs sind bei wenig Kapital eine sehr praktische Anlageform, weil sie ein enges steuerliches Korsett haben und man als Investor wesentlich mehr Kontrolle hat. Immobilienfonds haben oft schon sehr hohe Gebühren. Für AnfängerInnen empfehle ich daher zunächst einen Immobilien- oder REIT-ETF, gefolgt von direkten REITs, Immobilienfonds oder Immobilien-Crowdfunding. Wenn man einen eigenen Job hat, gerne auch in die eigene Immobilie investieren. Es gibt immer wieder Schnäppchen.

 

Was planen Sie für die Zukunft?

Mehr Onlinekurse, Honorarberatung und neue Podcast-Folgen. Sobald es wieder geht, möchte ich auch Schulen besuchen, um jungen Menschen Wertpapiere und den Kapitalmarkt näherzubringen.

 

Larissa Kravitz (35) ist Finanzmathematikerin und war 20 Jahre lang in Finanzunternehmen unter anderem als Aktienhändlerin, Aufsichtsrätin und Strategieentwicklerin in Wien und im Ausland tätig. 2019 entschied sich die gebürtige Wienerin dazu, Frauen das Thema Investieren näherzubringen und somit ihre finanzielle Autonomie zu stärken. Neben ihrem Buch „Money, honey!“ veröffentlichte sie den Podcast Investorella und bietet Investment-Workshops an.

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