Einblicke in die Zukunft des Marketings und der Datenwissenschaft

Im Gespräch mit Nils Wlömert

Nils, könntest du uns einen kurzen Überblick über deinen beruflichen Werdegang geben und wie du zur Wirtschaftsuniversität Wien gekommen bist?


Nach meinem BWL-Studium an der Universität Hamburg begann ich im Jahr 2008 meine Karriere als Marketingmanager bei einem großen Musiklabel in Berlin. Zwei Jahre später kehrte ich zur akademischen Welt zurück, um meine Dissertation an der Universität Hamburg zu verfassen. Im Jahr 2015 wurde ich als Assistenzprofessor am Institut für Interactive Marketing & Social
Media an der WU Wien tätig, wo ich mich zunehmend auf den Bereich Data Science konzentrierte. Diese Spezialisierung führte mich 2021 zu meiner aktuellen Position als Professor am Institut für Retailing & Data Science.

Was hat dich dazu bewogen, dich auf den Bereich Marketing zu spezialisieren, und gab es besondere Einflüsse oder Personen, die dich auf diesem Weg inspiriert haben?

Schon während meines Studiums interessierte ich mich für die Entwicklung kreativer und datengesteuerter Lösungen für komplexe Probleme. Marketing bietet aufgrund eines sich ständig wandelnden Marktumfelds besonders reichhaltige Möglichkeiten hierfür. Die Kombination aus der Praxisrelevanz des Faches und der Inspiration durch meine akademischen Mentor*innen während meiner Dissertation, mit einem Fokus auf anwendungsorientierter Forschung, führte mich letztlich zu dieser Spezialisierung.

In deiner Forschung beschäftigst du dich intensiv mit dem Einfluss neuer Technologien auf Märkte und Geschäftsmodelle. Könntest du ein Beispiel geben, wie sich diese Dynamik in der Praxis manifestiert?

Ein Beispiel für den Einfluss neuer Technologien auf Märkte ist der Onlinehandel mit Lebensmitteln. Trotz hoher Filialdichte und der Bequemlichkeit des stationären Handels für Konsument*innen bieten Online-Angebote und Multi-Channel-Strategien neue Chancen und Herausforderungen für etablierte Unternehmen und Start-ups.

Dein Forschungsschwerpunkt liegt auf Multi-Channel-Vertrieb. Was sind die größten Herausforderungen und Chancen für Unternehmen in diesem Bereich?

Die größten Herausforderungen im Multi-Channel-Vertrieb liegen in der Integration und Optimierung verschiedener Kanäle, um ein kohärentes Kund*innenerlebnis zu schaffen, wobei die Interaktion zwischen den Vertriebskanälen entscheidend ist. Unternehmen müssen berücksichtigen, wie Onlinekanäle Offlinekanäle substituieren oder ergänzen können. Die Chancen ergeben sich aus der gezielten Ansprache unterschiedlicher Kund*innensegmente und der Steigerung der Kund*innenzufriedenheit durch ein nahtloses Einkaufserlebnis über alle Kanäle hinweg

Du arbeitest derzeit an Projekten zur Messung von Emotionen im Kontext der Markenwahrnehmung in sozialen Medien. Kannst du uns mehr über die Ziele und Methoden dieses Projekts erzählen?

In unserer Forschung konzentrieren wir uns auf die Grenzen bestehender Tools zur Emotionserkennung in sozialen Medien, die sich vorwiegend auf einfache Sentiment-Analysen stützen. Wir setzen auf einen neuartigen Ansatz, der Textinhalte erst in Emojis umwandelt und diese dann in spezifische Emotionen wie Freude oder Wut übersetzt. Diese Methode ermöglicht selbst die Analyse von Texten mit Umgangssprache oder Typos und bietet damit eine präzisere, kostengünstige Emotionsmessung. Dazu haben wir eine Online-App entwickelt, die ohne Programmierkenntnisse oder Rechenressourcen nutzbar ist, wodurch Anwender*innen die emotionale Wahrnehmung von Marken in sozialen Medien einfacher und genauer analysieren können.

Wie beeinflussen deiner Meinung nach neue Marketingkanäle die Nachfrage und das Konsumentenverhalten?

Der Einfluss neuer Marketingkanäle kann je nach Kontext variieren. Unsere Forschung zum Musikmarkt zeigt beispielsweise, dass Playlists auf Streamingdiensten einen stärkeren Einfluss auf die Musikanfrage ausüben als traditionelle Marketing-Tools. Vor allem unbekanntere Lieder profitieren davon. Diese Erkenntnisse spiegeln sich auch in Studien zum Influencer-Marketing
wider, wo authentische Meinungsmacher oft signifikanten Einfluss auf Konsumentenentscheidungen über Social-Media-Kanäle ausüben können. Das kann auf der einen Seite vorteilhaft für Unternehmen sein, sofern das Word-of-Mouth positiv ist. Es kann jedoch auch zu negativen Effekten kommen, wie zum Beispiel durch Boykott-Aktionen, wenn Marken nicht als ethisch, gesellschaftlich oder ökologisch verantwortungsvoll gelten.

Als Professor für Marketing, welche Ratschläge würdest du deinen Studierenden geben, die eine Karriere im Marketing anstreben?


Bleibt neugierig und offen für neue Technologien und Methoden. Insbesondere Daten gewinnen für Unternehmen bei der Entscheidungsvorbereitung stark an Bedeutung. In unserer SBWL „Handel und Marketing“ vermitteln wir unseren Studierenden daher aus einer Management-Perspektive die Möglichkeiten des Data-Driven Marketing. Darüber hinaus sind Networking und
praktische Erfahrungen ebenso wichtig wie theoretisches Wissen. Auch in diesem Punkt bietet unsere SBWL verschiedene Möglichkeiten, Einblicke in die Unternehmenspraxis zu erhalten– zum Beispiel in Form von Gastvorträgen oder Projekten, die wir in Kooperation mit Unternehmen gemeinsam mit unseren Studierenden durchführen.

Wie integrierst du deine Forschungserkenntnisse in deine Lehrmethoden und welche Rolle spielt die Interaktion mit den Studierenden dabei?

Ich versuche grundsätzlich, durch die Kombination aus theoretischem Wissen und praktischen Anwendungen eine interaktive Lernumgebung zu fördern. In meiner Lehre integriere ich dabei auch Forschungserkenntnisse direkt in die Kursinhalte. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz unseres Projekts zur Emotionsmessung in sozialen Medien, welches den Studierenden die Bedeutung von Data Science im Marketingkontext veranschaulicht. Zum einen hilft das dabei, den Studierenden aktuelle und praxisrelevante Themen näherzubringen. Zum anderen wird dadurch auch der Transfer des Wissens auf neue Fragestellungen ermöglicht, mit denen Absolvent*innen nach ihrem Abschluss im Berufsleben konfrontiert
sein werden.

Welche Trends siehst du im Bereich des Marketings und der Datenwissenschaften, die in den nächsten Jahren besonders relevant sein könnten?

Ich sehe eine zunehmende Verschmelzung von Marketing und Data Science, wobei Themen wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Big Data Analytics an Bedeutung gewinnen. Insbesondere werden generative KI-Modelle wie ChatGPT eine Schlüsselrolle spielen. Sie ermöglichen innovative Ansätze im Content-Marketing, automatisierte Kund*inneninteraktionen und personalisierte Werbebotschaften. Die Fähigkeit dieser Technologien, in Echtzeit auf Kund*innenbedürfnisse einzugehen, wird das Marketing effizienter und zielgerichteter machen und neue Möglichkeiten für Marken eröffnen, authentische und ansprechende Kund*innenerlebnisse zu schaffen.

Du hattest die Möglichkeit, an verschiedenen internationalen Universitäten zu forschen. Wie wichtig ist internationale Zusammenarbeit in deiner Arbeit und wie beeinflusst sie deine Forschungsergebnisse?

Internationale Forschungskooperationen sind essenziell, um die Qualität und Reichweite der Forschung zu verstärken. Sie bieten auch die Möglichkeit, globale Netzwerke aufzubauen, was wiederum dabei hilft, aktuelle Entwicklungen und Trends in der Wissenschaft zu verfolgen und innovative Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln.

Welchen Rat würdest du Studierenden geben, die internationale Forschungserfahrungen sammeln möchten?

Nutzt die angebotenen Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte und internationale Projekte, um eure interkulturellen Kompetenzen zu stärken und globale Netzwerke zu knüpfen. Diese internationalen Netzwerke sind oftmals noch weit über das Studium hinaus wichtig. Auch aufgrund meiner Tätigkeiten an anderen Universitäten kann ich sagen, dass die WU hierfür exzellente Möglichkeiten bietet. Wenn du einen Blick in die Zukunft wirfst: Wie siehst du die Rolle der Wirtschaftsuniversität Wien in der Entwicklung von Marketing und Data Science in den nächsten Jahren? Als eine der größten und modernsten Wirtschaftsuniversitäten Europas hat die Wirtschaftsuniversität Wien das Potenzial, eine führende Rolle in der Entwicklung von Marketing und Data Science zu spielen. Durch die Kombination aus hochwertiger Lehre, zukunftsorientierter Forschung und internationaler Zusammenarbeit kann sie maßgeblich zur Evolution dieser Disziplinen beitragen.

Autorin
STEIL Magazin
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