Studienabbruch mit Perspektive

Geht Erfolg auch ohne Abschluss?

Was haben Steve Jobs, Bill Gates und Mark Zuckerberg gemeinsam, abgesehen davon unheimlich erfolgreiche Unternehmen gegründet zu haben? Sie alle drei haben vorzeitig ihr Studium abgebrochen, um diese Unternehmen zu dem zu machen, was sie heute sind. Ausnahme, sagen die einen. Erfolgsrezept, die anderen. Tatsache ist, dass man nie weiß, wohin ein Weg führt, bevor man ihn einschlägt. Das gilt sowohl für das Studium, als auch für seine Alternativen.

Birgit D. hatte schon an der WU eine große Vision. Sie glaubte an das Verbesserungspotenzial der Wirtschaft, doch eigentlich wollte sie Psychologie und Germanistik studieren. Das kam für sie allerdings nicht in Frage: »Meine Familie hatte ein Möbelgeschäft und mein Vater war stark von dem alten Bild geprägt, dass die Kinder dasselbe machen müssen wie die Eltern. Da war eine große Strenge da. Ich habe mich sehr dagegen gewehrt, aber ich hatte zu wenig Ressourcen, um dagegen anzukämpfen.«


In einer Befragung der WU Studienanfänger gibt ungefähr die Hälfte an, dass die Eltern den größten Einfluss auf sie ausüben, wenn es darum geht, ein Studium abzuschließen. Bei ungefähr einem Drittel der befragten Studierenden fließen die Erwartungen der Eltern in die Studienwahl mit ein. Dennoch ist es für die meisten vorwiegend eine persönliche Entscheidung. Als häufigster Grund für den Entschluss an der WU zu studieren, werden die Karrieremöglichkeiten genannt.

Bill Gates´ Lebensmotto:
Man kann sich auch ohne Studium immer weiterbilden. 


Bekanntlich verdienen Akademiker mehr als Nicht-Akademiker, doch das stimmt nicht immer. In etwa 5.000 bis 10.000 Euro kann der jährliche Gehaltsunterschied ausmachen. Vergleiche sind hier faktisch dennoch sehr schwierig, da der Unterschied stark von der Branche abhängt. Ein Abschluss in den Geisteswissenschaften bietet etwa meist ein niedrigeres Einstiegsgehalt als eine Lehre in der Mechatronik. Was verblüffen mag, aber nicht sollte: Unter den arbeitslosen Akademikern sind jene am stärksten vertreten, die Betriebswirtschaft oder Rechtswissenschaften studiert haben.


Schließlich ist der Andrang an die WU und das Juridicum auch sehr groß. Doch so wie auch Birgit D. studieren nicht alle nur aus Interesse am Fach: »Ich konnte sehr gut Gedichte schreiben. Als ich sie meinen Studienkollegen manchmal vorgelesen habe, meinten die, dass ich hier doch völlig falsch sei. Eine Zeit lang hatte ich trotzdem ein sehr gutes Verhältnis zum Studium. Ich habe sehr viel gelesen und mir sehr viele Gedanken gemacht. Ich hatte deshalb einen Blick von außen auf das Studium. Ich habe auch sehr viel hinterfragt, was andere nicht haben und dadurch sehr gute Noten bekommen. «


Studienabbrecher Bill Gates höchstpersönlich betont immer wieder, wie wichtig Lernen für den Erfolg ist. Gleichzeitig ist er der lebende Beweis dafür, dass das Ende eines Studiums noch lange nicht das Ende von Bildung sein muss und auch nicht sein sollte. Sein Lebensmotto: Man kann sich immer weiterbilden, ganz einfach indem man liest. In seinem eigenen Blog über Bücher, schreibt Gates ausführlich, welche Einsichten er aus seiner ausgiebigen und breitgestreuten Lektüre gewinnt. Ohne seinen unstillbaren Durst für Wissen wäre er wohl auch mit Abschluss nicht so erfolgreich geworden.

Ein Studium kostet nicht nur Zeit, Geld und Energie. Man tätigt auch eine Investition in die Zukunft. 

Dennoch kostet ein Studium nicht nur Zeit, Geld und Energie. Man tätigt auch eine Investition in die Zukunft. Die Rendite lässt sich zwar nicht von vornherein bestimmen, doch mit seinen Berufschancen spekuliert man damit im Normalfall nicht. Die Opportunitätskosten eines Studienabbruchs können dagegen um einiges höher ausfallen, vor allem je kürzer man vor dem Ziel steht. Davon kann Birgit D. aus eigener Erfahrung sprechen: »Ich war dann schon ziemlich weit. Ich hatte nur noch zwei Prüfungen und die Diplomarbeit. Dann habe ich abgebrochen und bin auf eine ganz andere Schiene gekommen. Da bei mir so vieles so lange unterdrückt war, musste sich das offenbar extrem äußern. Ich habe damals nicht viel darüber nachgedacht und war auch nicht traurig darüber. Erst jetzt.«

In Österreich brechen ungefähr 53 Prozent der Studierenden ihr Studium ab. 


In der Mitte des Bachelorstudiums hat sich jeder vierte Student bzw. jede vierte Studentin an der WU schon mindestens einmal überlegt, das Studium abzubrechen. In Österreich brechen ungefähr 53 Prozent ihr Studium tatsächlich ab, was ungefähr dem OECD-Durchschnitt entspricht. In Deutschland liegt die Abbruchquote bei ungefähr 45 Prozent.

Birgit D. würde im Rückblick, so wie das in Österreich ein Drittel der Studierenden machen, eher zu einem Studienwechsel als einem Studienabbruch raten. »Heute ist das vielleicht anders, aber als ich aufgewachsen bin, habe ich gar nicht den Raum gehabt, mir darüber Gedanken zu machen. Deshalb kann ich nur jeden ermutigen, in sich zu schauen, was seine innersten Potenziale sind. Das System arbeitet mit Beschleunigung. Da mal auf die Bremse zu steigen, so wie ich das gemacht habe, ist manchmal notwendig. Man kann aber auch mehrere Ziele parallel verfolgen. Ich würde das heute weniger als ein Entweder-Oder, sondern vielmehr als ein Sowohl-als-Auch sehen.«

 

Dieser Artikel ist zuvor im STEIL-Magazin der ÖH Wu erschienen. 

Fotocredits: (c) Adam Smith via Unsplash

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